Bundestagsparteien und Medien werfen der AfD mangelnden Patriotismus vor

Seit Monaten gehen in ganz Deutschland Millionen auf die Straße, um gegen die ausländerfeindliche und faschistische Politik der Alternative für Deutschland (AfD) zu protestieren. Nun beschäftigen sich auch die Leitartikel, Nachrichten und Talkshows intensiv mit der rechtsextremen Partei; im Bundestag fand am letzten Donnerstag dazu sogar eine Aktuelle Stunde statt.

Doch anders als die Anti-AfD-Demonstrationen greifen die Medien und die etablierten Parteien die AfD nicht von links an, sondern von rechts. Nachdem ein Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah wegen Spionagevorwürfen verhaftet wurde, schlachten sie Verbindungen führender AfD-Politiker nach Russland und China aus, um die Kriegshysterie gegen die beiden Länder zu schüren. Der AfD werfen sie mangelnden Patriotismus und fehlende Kriegsbegeisterung vor.

Innenministerin Nancy Faeser im Bundestag [Photo by DBT / Janine Schmitz / photothek]

Der CDU-Abgeordnete Marc Heinrichmann beschuldigte die AfD im Bundestag: „Sie verraten und verkaufen das deutsche Volk.“ Der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese warf ihr „geheuchelte Vaterlandsliebe“ und der Grüne Konstantin von Notz „devotes Hofschranzentum gegenüber China und Russland“ vor. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, es sei „ein Unding, wenn sich Volksvertreter zu Putins oder Pekings Handlangern und zum Instrument ihrer Propagandamaschinerie machen“.

In ARD und ZDF dominierte das Thema tagelang die Hauptnachrichten. Der Spiegel erschien am Wochenende mit der Schlagzeile „Die Landesverräter“. Recherchen hätten gezeigt, „wie bedeutsam die AfD für Russlands hybride Kriegsführung gegen den Westen ist,“ schreibt das Nachrichtenmagazin. „Gehörte es zu ihrem Markenkern, den verhassten ‚Systemparteien‘ vorzuwerfen, sie würden deutsche Interessen verraten, scheint es nun, als habe die Partei sich damit vor allem selbst beschrieben.“

Diese Kampagne ist in jeder Hinsicht reaktionär. Sie wird die extreme Rechte nicht schwächen, sondern stärken. Nachdem die Ampel-Koalition das politische Programm der AfD in der Flüchtlings- und Innenpolitik weitgehend übernommen hat, versucht sie nun, die Partei von Gauland, Höcke, Chrupalla und Weidel auch außenpolitisch rechts zu überholen. Der Vorwurf, es fehle der AfD an Patriotismus, ist, als würde man einen Alkoholiker beschuldigen, er trinke nicht genug Schnaps.

Der Magdeburger Europaparteitag der Partei im vergangenen Sommer war eine Orgie des Nationalismus und des Großmachtchauvinismus. Als Gastredner trat dort der bulgarische Rechtsextremist Kostadin Kostadinow auf, der mit stehenden Ovationen gefeiert wurde, als er rief: „Es ist höchste Zeit, dass Deutschland seinen rechtmäßigen Platz als Großmacht einnimmt, und das nicht nur in Europa.“

Maximilian Krah, der auf dem Magdeburger Parteitag zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt wurde und der nun im Zentrum der Vorwürfe gegen die AfD steht, jubelte: „Bei dem Kollegen aus Bulgarien können wir uns Mut und Leidenschaft abschauen, damit es so weit kommt.“

Krah gehört zum völkischen Höcke-Flügel der AfD und ist mit der faschistischen Szene Europas bestens vernetzt. So beschäftigt er in seinem Büro den Franzosen Guillaume Pradoura, der 2019 wegen einer antisemitischen Karikatur aus dem Rassemblement National von Marine Le Pen ausgeschlossen wurde. Doch Krah wird nicht wegen seiner faschistischen Verbindungen und seinen Großmachtphantasien an den Pranger gestellt, sondern wegen seiner Kontakte nach Moskau und Peking und wegen seiner Vorbehalte gegenüber dem Ukrainekrieg.

Am 23. April ließ der Generalbundesanwalt Krahs Mitarbeiter Jian G. unter dem Vorwurf der „geheimdienstliche Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall“ verhaften. Jian G., der 2002 aus China zum Studium nach Dresden gekommen war und mittlerweile deutscher Staatsbürger ist, arbeitet seit 2019 für Krah als Assistent im Europaparlament. Er soll Informationen aus dem Europaparlament an den chinesischen Geheimdienst weitergegeben und chinesische Dissidenten in Deutschland ausgespäht haben. Genaueres ist nicht bekannt.

Krah steht außerdem im Verdacht, Geld aus russischen Quellen erhalten zu haben. Entsprechende Vorwürfe waren Ende März vom tschechischen Geheimdienst bereits gegen die Nummer Zwei der Europawahlliste der AfD, den Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, erhoben worden. Bystron soll 20.000 Euro über das Medienportal „Voice of Europe“ kassiert haben, hinter dem der ukrainische Oligarch Wiktor Medwedtschuk vermutet wird. Medwedtschuk ist mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet und lebt mittlerweile in Russland. Bystron und Krah bestreiten die Vorwürfe.

Unbestritten ist, dass sich Vertreter der AfD gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen und Sanktionsmaßnahmen gegen China abgelehnt haben. Sie sind der Ansicht, dass diese Konflikte in erster Linie US-amerikanischen und nicht deutschen Interessen dienen. Geht es dagegen um deutsche Großmachtinteressen, kann ihnen die Aufrüstung nicht weit genug gehen. Die AfD ist eine durch und durch militaristische Partei, die über große Unterstützung im Militär- und Sicherheitsapparat verfügt. In ihrer Führung finden sich mehrere ehemalige Offiziere.

Die Kampagne, die der AfD wegen ihren Beziehungen zu Russland und China „Landesverrat“ vorwirft, richtet sich nur vordergründig gegen die rechtsextreme Partei. Sie soll vor allem all jene einschüchtern und als potentielle „Verräter“ brandmarken, die grundsätzlich gegen den deutschen Militarismus sind und sowohl den Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland wie den Genozid an den Palästinensern – den die AfD voll unterstützt – ablehnen.

In Politik und Wirtschaft gibt es außerdem Konflikte über den richtigen Umgang mit China. Die jüngste China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz war teilweise auf heftige Kritik gestoßen, weil er einer offenen Konfrontation mit der chinesischen Führung auswich.

„Es gibt in Deutschland hochrangige Persönlichkeiten, die einen klaren, strategischen Blick auf China haben, nicht zuletzt Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock,“ kommentierte die US-Zeitschrift Foreign Policy. „Doch beide waren nicht in Peking. Stattdessen nahm Scholz Minister … mit, die eine enge Zusammenarbeit mit Peking befürworten, sowie eine Schar von Industriechefs, die den deutsch-chinesischen Handel und Investitionen fördern.“

Die Kritik an der AfD wurde von hysterischen Warnungen vor chinesischer Industriespionage und russischer Sabotage begleitet.

Innenministerin Nancy Faeser bestätigte in der Bundestagsdebatte, dass zeitgleich mit Krahs Mitarbeiter auch zwei Personen in Bayreuth verhaftet worden seien, um russische Sabotagepläne zu verhindern, und drei in Bad Homburg und Düsseldorf wegen Spionage im Auftrag Chinas. Sie versprach ein neues Gesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen, forderte die Unternehmen auf, „sich resilienter aufzustellen und Schutzmaßnahmen weiter hochzufahren“, und drohte „mit einem harten Durchgreifen eines starken Rechtsstaates“.

Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle erklärte, Deutschland stehe „im Fokus von Spionage aus China, weil China in erster Linie ein systemischer Rivale ist, der es auf wirtschaftliches, wissenschaftliches und militärisches Know-how aus Deutschland abgesehen hat“.

Diese rechte Atmosphäre von Krieg, Spionageangst und Law-and-Order kann nur zum Wachstum der AfD und anderer rechtsradikaler Kräfte führen. Wie die WSWS im Januar schrieb, ist die AfD „kein Fremdkörper in einem ansonsten gesunden Organismus, sondern das schlimmste Symptom eines durch und durch kranken Systems“. Die Rechtextremen werden in ganz Europa gebraucht und gefördert, um den Widerstand gegen Krieg, Militarismus und Sozialabbau zu unterdrücken.

Nur eine unabhängige Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, die den Kampf gegen Militarismus, soziale Ungleichheit und Diktatur mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft verbindet, kann dies verhindern. Dafür treten die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Kandidatinnen und Kandidaten in der Europawahl ein.

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