Teheran warnt vor „massiver und harter“ Reaktion, falls Israel den Iran erneut bombardiert

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi warnte am Mittwoch bei einer Militärparade im Hinblick auf die israelischen Drohungen, Ziele im Iran anzugreifen, dass weitere israelische Angriffe auf den Iran eine „massive und harte Reaktion“ nach sich ziehen würden. Der völkermörderische Angriff Israels auf den Gazastreifen hat die Spannungen in der Region immer weiter verschärft.

Am 1. April wurden bei einem israelischen Luftangriff auf das Gelände der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus, die völkerrechtlich iranisches Staatsgebiet ist, drei hohe iranische Offiziere getötet. Am letzten Samstag hatte der Iran unter dem Decknamen Operation True Promise (Eingelöstes Versprechen) einen Gegenangriff mit 185 Drohnen, 36 Marschflugkörpern und 110 ballistischen Raketen auf militärische Ziele in Israel gestartet.

Dabei wurden u.a. Landebahnen und ein Transportflugzeug auf den israelischen Luftwaffenstütztpunkten Nevatim und Ramon getroffen, Todesopfer wurden jedoch nicht gemeldet. Dennoch forderte die rechtsextreme israelische Regierung einen massiven Vergeltungsschlag. Kulturminister Miki Zohar erklärte am Sonntag, Israel habe „breite internationale Legitimierung für beispiellose Angriffe auf den Iran“ erhalten. Weiter erklärte er, der Iran habe „die Samthandschuhe ausgezogen“. Zohar forderte dazu auf, anzugreifen und „der Schlange, die daran arbeitet, Israel zu zerstören, den Kopf abzuschlagen.“

Bei einer Militärparade am Mittwoch warnte Raisi, Teheran werde auf künftige israelische Angriffe auf den Iran mit noch verheerenderen Angriffen reagieren: „Operation True Promise war keine umfassende, sondern nur eine begrenzte Maßnahme, Hätten wir eine stärkere Operation durchgeführt, wäre nichts mehr von Israel übrig.“

Israels Völkermord im Gazastreifen und seine von den Nato-Mächten gedeckten Angriffe auf den Iran, Syrien und den Libanon bringen den Nahen Osten und die ganze Welt an den Rand eines totalen Krieges. Im Gegensatz zu früheren Kriegen wie den Überfällen auf Afghanistan, den Irak und Syrien könnten Israel und seine Nato-Verbündeten in einem solchen Krieg enorme Verluste erleiden.

Israelische Regierungsvertreter versuchten, die Bevölkerung angesichts der Explosionen über Jerusalem und des landesweiten Luftalarms mit der Erklärung zu beruhigen, 99 Prozent der iranischen Geschosse seien abgeschossen worden. Die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) behaupteten, sie hätten den iranischen Angriff „vereitelt“. Allerdings gelang ihnen dies nur, weil sie im Vorfeld gewarnt worden waren und ihnen amerikanische, britische und französische Schiffe und Kampfflugzeuge geholfen hatten, die iranischen Ziele abzuschießen.

Obwohl US-Regierungsvertreter anfangs leugneten, dass der Iran ihnen eine Liste seiner Angriffsziele in Israel gegeben hatte, bestätigten türkische Regierungsvertreter, dass Teheran sich 72 Stunden vor dem Angriff mit ihnen und anderen Vertretern der USA und der Nato in Verbindung gesetzt hatte, um sie vor dem drohenden iranischen Angriff zu warnen.

Israel war darauf angewiesen, dass die Nato und ihre regionalen Verbündeten den Großteil des Angriffs abwehrten. Die Website The Intercept schrieb unter Berufung auf US-Militärquellen: „Das Ausmaß der US-Militäroperation ist der amerikanischen Öffentlichkeit noch nicht bekannt, allerdings hat das Pentagon am Samstag eine multinationale, regionale Verteidigungsaktion koordiniert, die sich vom Nordirak bis zum südlichen Persischen Golf erstreckte. Während der Operation haben die USA, Großbritannien, Frankreich und Jordanien die meisten iranischen Drohnen und Raketen abgeschossen.“

Die finanziellen Kosten der Operation waren für Israel und seine Verbündeten viel höher als für den Iran. Laut dem israelischen General Ram Aminach hat Israel am Samstag Raketen im Wert von vier bis fünf Milliarden Schekel (1,08 - 1,35 Milliarden Dollar) auf die iranischen Ziele abgefeuert. Am Dienstag forderte die US Navy Munition im Wert von einer Milliarde Dollar als Ersatz für diejenige, mit der sie iranische Drohnen abgeschossen hatte. Den Iran kostete der Angriff am Samstag nur etwa 100 Millionen Dollar, da er weitgehend mit billigen Drohnen aus Massenproduktion durchgeführt wurde.

Zudem könnten der Iran und seine Verbündeten auch größere Angriffe durchführen, die die israelische Verteidigung überlasten würden. Die mit dem Iran verbündete libanesische Miliz Hisbollah hatte sich nicht am Angriff auf Israel am Samstag beteiligt, verfügt jedoch über ein Arsenal von 150.000 bis 200.000 Raketen, darunter hunderte Langstrecken-Seezialflugkörper und ballistische Raketen für Landangriffe. Sollte Israel einen Krieg gegen den Libanon beginnen, so würde die Hisbollah vermutlich täglich mehr als 1000 Raketen auf Israel abschießen. Der Iran ist ein international bedeutender Drohnenhersteller, und sein riesiges Raketenarsenal umfasst mehr als 3000 Langstreckenraketen.

Der Stabschef der iranischen Streitkräfte Generalmajor Mohammad Baqeri erklärte, der Iran plane zwar keine weiteren Militäraktionen gegen Israel, könne aber größere Angriffe durchführen. Er erklärte: „Wir betrachten die Operation als beendet, aber die Streitkräfte sind bereit und werden notfalls handeln. Wir sind in der Lage, eine Operation gegen das [israelische] Regime durchzuführen, die noch zehnmal größer als diese hier ist. Allerdings haben wir versucht, das Niveau einer Strafaktion nicht zu überschreiten, und haben keine Bevölkerungs- und Wirtschaftszentren angegriffen.“

Er warnte außerdem, Teheran werde auf die Teilnahme der USA an weiteren israelischen Angriffen auf den Iran mit Luftangriffen auf US-Militärbasen im Nahen Osten reagieren.

Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran droht, einen regionalen oder sogar globalen Krieg auszulösen. Washington und die Nato-Mächte intervenieren bereits jetzt auf der Seite Israels. Doch die Aussicht auf einen Nato-Krieg gegen den Iran und seine Verbündeten in der Region würde auch für Russland und China inakzeptable Risiken bergen und könnte sie ebenfalls hineinziehen.

Russland hat Truppen in Syrien stationiert, die gegen von der Nato unterstützte Kräfte kämpfen, welche einen Regimewechsel herbeiführen wollen. Vor kurzem hatte Moskau sie an die Golanhöhen an der Grenze zu Israel verlegt, offenbar aus Furcht vor einem israelischen Angriff auf den Libanon oder Syrien.

Chinas Wirtschaft ist vom iranischen Öl abhängig und kauft etwa 90 Prozent der iranischen Ölexporte, die aufgrund der US-Sanktionen noch immer nicht in Dollar gehandelt werden dürfen. Im Jahr 2021 unterzeichnete China einen 25-jährigen Freundschaftsvertrag mit dem Iran, der die Investition von 400 Milliarden Dollar in iranische Öl-, Verkehrs- und Industrieinfrastruktur vorsieht. Die Bedingungen des Vertrags wurden zwar nicht veröffentlicht, doch Berichten zufolge beinhaltet er militärische Garantien Chinas für die Sicherheit des Iran.

Die britisch-imperialistische Denkfabrik Chatham House kam in ihrer Bewertung des iranischen Angriffs auf Israel am Samstag zu dem Schluss, dass er darauf abzielte, Israel abzuschrecken, den Iran erneut anzugreifen, indem er die potenziellen Konsequenzen weiterer militärischer Eskalation deutlich macht. Weiter hieß es, der Angriff habe es den iranischen Streitkräften ermöglicht, die Reaktion und Leistung der israelischen- und Nato-Luftabwehrsysteme zu überwachen und zu analysieren. Chatham House schrieb dazu:

Hätte der Iran Israel schaden wollen, dann hätte er nicht gegen eines der Grundprinzipien von Militäroperationen – den Überraschungsmoment – verstoßen. Dies tat er jedoch: er hat Washington und mehreren arabischen und europäischen Hauptstädten seine Absichten mitgeteilt und dafür gesorgt, dass der Angriff relativ begrenzt bleibt.
Statt Offensivtaktiken anzuwenden, die die israelische Abwehr deutlich gefordert und möglicherweise überlastet hätten, tat er das Gegenteil. Wenn der Iran tatsächlich versucht hätte, Israel ernsthaft zu schaden, hätte er mehr schnell fliegende präzisionsgelenkte Raketen abgefeuert und Israel kaum Zeit gegeben, sich vorzubereiten...
Zudem konnte der Iran höchst nützliche Informationen sammeln. Die Einschätzung der Abwehrfähigkeiten Israels und seiner Partner ist zwar alles andere als definitiv, hat sich aber stark verbessert. ... Der Iran hat bei seinem Angriff mehr Fähigkeit gezeigt, als seine Gegner zuzugeben bereit sind.

Die imperialistischen Nato-Mächte signalisieren jedoch, dass sie kein Interesse daran haben, die Spannungen mit dem Iran zu beschwichtigen oder Israels rechtsextreme Regierung zu bremsen. Sie raten Israel zwar von einer zu schnellen kurzfristigen Eskalation gegen den Iran ab, liefern dem Land aber weiterhin Waffen, u.a. um palästinensische Zivilisten im Gazastreifen zu bombardieren. Zudem fordern sie rücksichtslos verschärfte Sanktionen und weitere Militäraktionen gegen den Iran.

Der britische Außenminister David Cameron war zu Treffen mit hohen Regierungsvertretern, darunter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, nach Israel gereist und begrüßte die israelischen Pläne für weitere Angriffe auf den Iran: „Es ist klar, dass die Israelis beschlossen haben, zu handeln. Wir hoffen, sie werden dies so tun, dass es zu so wenig Eskalation wie möglich kommt, und dass ihr Vorgehen so intelligent wie hart ist.“

Cameron schloss sich auch Washingtons Forderungen nach Sanktionen gegen die iranische Wirtschaft an; der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete sie als eine „Pflicht“ für Frankreich und Europa.

Netanjahu deutete jedoch seine Ablehnung dieses Ratschlags an und erklärte, er erhielte „alle möglichen Ratschläge“, doch Israel werde „seine eigenen Entscheidungen treffen, und der Staat Israels wird alles Notwendige tun, um sich zu verteidigen.“

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