EU und Berlin verschärfen Angriff auf Flüchtlinge

Am Montag besuchte die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Stadt Plowdiw in Südbulgarien. Dort inspizierte sie den Stacheldrahtzaun an der Grenze zur Türkei, der als Modell für die Abschottung der Europäischen Union gegen Geflüchtete dient.

Die fast 260 Kilometer lange, durch einen doppelten Zaun gesicherte Grenze ist für brutale Pushbacks, für illegale Abschiebungen durch die bulgarische Grenzpolizei, berüchtigt. Dennoch soll gerade dort, an einem Grenzübergang namens Kapitan Andreewo, ein Pilotprojekt des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) entstehen. Das macht deutlich, welcher rechtsextreme Geist mittlerweile in der Europäischen Union vorherrscht.

Protest gegen das GEAS am 10. April in Brüssel [Photo by Laura Vaca / pressenza]

Mit der endgültigen Verabschiedung des GEAS am 10. April hat das Europäische Parlament das Asylrecht faktisch außer Kraft gesetzt und die Migrationspolitik der extremen Rechten zum Gesetz erhoben. Die beschlossenen Maßnahmen sehen die hermetische Abriegelung der europäischen Außengrenzen vor. Das bedeutet, dass Geflüchtete ihr Asylverfahren außerhalb der EU, in geschlossenen, militärisch bewachten Haftlagern durchlaufen müssen.

Vollkommen abgeschottet werden die von Krieg, Vertreibung und Flucht traumatisierten Menschen einschließlich der Kinder in solchen Lagern keinen Zugang zu juristischer, medizinischer oder psychologischer Unterstützung finden. Sie werden stattdessen festgehalten, durchleuchtet, registriert und selektiert mit dem vorrangigen Ziel, möglichst viele so rasch wie möglich wieder abzuschieben – oft in dieselben Länder, aus denen sie geflüchtet sind. Oder auch in sogenannte „sichere Drittstaaten“. Deren Zahl wurde als Bestandteil der Reform vergrößert, was bedeutet, dass noch mehr Abschiebungen möglich sind.

Wie die WSWS bereits gezeigt hat, bedeutet das GEAS „die Abschaffung des Asylrechts, den Ausbau der Festung Europa, Massendeportationen und die Inhaftierung selbst von Frauen und Kindern in KZ-ähnlichen Abschiebelagern“.

Während der Abstimmung vom 10. April demonstrierten Flüchtlingshelfer in Brüssel vor dem EU-Parlament. Einige von ihnen riefen von der Besuchertribüne des Plenarsaals herab den Abgeordneten zu: „Be human, vote NO!“ (Seid menschlich, stimmt mit NEIN!). Andere warfen Papierflieger mit den Koordinaten von Schiffbrüchigen und Infos über Flüchtende, die auf der Flucht gestorben sind, in den Saal.

Fast jeden Tag kommt es im Mittelmeer zu Havarien mit Todesopfern. Am selben Tag, an dem die Europaabgeordneten dem GEAS zustimmten, ereignete sich vor der nordafrikanischen Küste ein lebensgefährlicher Zwischenfall, wie die Organisation Seebrücke berichtet.

Die „Mare Jonio“ war Schiffbrüchigen zu Hilfe geeilt und versuchte, die Menschen von einem sinkenden Boot, dessen Motor ausgefallen war, zu retten. Da tauchte die von der EU finanzierte libysche Küstenwache auf und wies das Rettungsschiff an, sich sofort zu entfernen, was es nicht tat. Die Milizen der Küstenwache „fuhren gefährliche Manöver um das Boot herum und schossen in die Luft… Panik brach aus, Menschen sprangen ins Wasser“. Schließlich konnte die „Mare Jonio“ insgesamt 56 Menschen nach Pozzallo (Italien) bringen.

Jährlich erfrieren, verhungern oder ertrinken tausende Geflüchtete vor den Grenzen Europas. Bei der Flucht über das Mittelmeer sind in den letzten zehn Jahren laut Statista fast 30.000 Menschen ertrunken. Allein in diesem Jahr fanden bis Ende März schon mindestens 459 Menschen den Seetod im Mittelmeer.

Tausende andere sterben beim gefährlichen Versuch, eine Grenze wie die südbulgarische zu überwinden. Oder sie werden auf unbestimmte Zeit in überfüllte Lager wie Moria (Griechenland) gepfercht. Oder auch auf hoher See von der libyschen Küstenwache aufgegriffen und in die Hölle eines Gefangenenlagers in Libyen zurückgezwungen.

Nancy Faeser befürwortet und fördert im Namen der Ampel-Regierung das mörderische Europäische Asyl-System. Seit einem halben Jahr setzt sie sich auch für die massive Ausweitung der Überwachung von EU-Außengrenzen durch Frontex ein, ein Projekt, das die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) zusammen mit der faschistischen Ministerpräsidentin Italiens, Giorgia Meloni, betreibt.

Auch in Deutschland selbst verwirklicht die SPD-geführte Regierung immer offener die Politik der rechtsextremen AfD. Am 18. Januar verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Ampelparteien das schändliche Rückführungsverbesserungsgesetz.

Anfang April wurde bundesweit die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber beschlossen, die ProAsyl zu Recht ein „Diskriminierungskonzept“ nennt und die ausschließlich der Abschreckung und flüchtlingsfeindlichen Propaganda dient. Geflüchteten wird das Leben erschwert, indem sie nicht mehr über Bargeld verfügen und kein Geld mehr an ihre Familien im Ausland schicken können. Geflüchtete und Einwanderer werden immer stärker stigmatisiert.

Mit der Militarisierung der gesamten Gesellschaft geht eine unerträgliche nationalistische Hetze und Propaganda einher. Um die Arbeiterklasse zu spalten und zu schwächen, setzt die Ampel-Koalition auf Rassismus und das Schreckgespenst der „Ausländerkriminalität“. In den Medien werden Einwanderer und Asylsuchende nur noch im Zusammenhang mit Raub, Vergewaltigung, Drogen und Terrorismus erwähnt.

Kurz vor Verabschiedung des GEAS im EU-Parlament stellte Faeser am 9. April in der Bundespressekonferenz die polizeiliche Kriminalstatistik vor. Gemeinsam mit dem BKA-Präsidenten forderte sie „hartes Durchgreifen“, „schnelles Handeln der Behörden“ und eine Politik der Null-Toleranz. Faeser behauptete: „Der Zusammenhang ist richtig, dass steigende Migration zu mehr Straftaten geführt hat.“

Das ist reine Demagogie. Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst alle von der Polizei ermittelten Fälle, auch wenn es noch zu keinem abschließenden Gerichtsurteil gekommen ist. Dass Zuwanderer dabei wesentlich schärfer verfolgt werden, ist bekannt. Bei der großen Mehrheit der Fälle handelt es sich zudem um Bagatelldelikte, wie Ladendiebstahl oder Schwarzfahren, die vor allem von Ärmeren begangen werden. Auch physische Auseinandersetzungen in Auffanglagern, wo traumatisierte Geflüchtete aus Krieg und Not auf engstem Raum zusammengepfercht und zur Untätigkeit und Perspektivlosigkeit verdammt werden, fallen darunter.

Finanz- und Steuerdelikte der Reichen sowie die politischen Verbrechen der herrschenden Klasse klammert die Statistik dagegen aus. Ihre Zahlen werfen vielmehr ein Bild auf die Klassengesellschaft, in der Nicht-Deutsche am untersten Rande nicht nur Täter, sondern sehr oft auch Opfer werden.

Sofort aufgegriffen wurde diese demagogische Hetze von Sahra Wagenknecht. Als Reaktion auf die Kriminalstatistik forderte sie einen „Innenministergipfel im Kanzleramt“, um „das Problem der unkontrollierten Migration anzugehen“, wie sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte.

Wagenknecht griff Faeser von rechts an und hetzte: „Wenn die Kriminalstatistik zeigt, dass Straftaten überproportional von Menschen aus bestimmten Einwanderungsmilieus begangen werden, darf eine Innenministerin dieses Problem nicht tabuisieren und herunterspielen.“ Damit nicht genug, forderte sie, die Polizei müsse besser ausgestattet werden und verdiene „deutlich mehr Respekt und gesellschaftliche Anerkennung“.

Die üble Hetze gegen Flüchtlinge richtet sich gegen die gesamte Arbeiterklasse. Wärend die Ärmsten der Armen, Geflüchtete und Migranten ganz unmittelbar angegriffen werden, werden auch Arbeitslose, Niedrigverdiener und Arbeiter zunehmend ihrer sozialen und demokratischen Rechte beraubt. Die wachsende Opposition gegen Militarismus, Krieg und den Genozid in Gaza unterdrückt die herrschende Klasse mit immer brutaleren Methoden.

Die Beschlüsse des Europaparlaments und der Ampel-Koalition schaffen in diesem Zusammenhang auch Klarheit. Wie die WSWS geschrieben hat:

Die Tatsache, dass alle Teile der herrschenden Klasse den Terror gegen Flüchtlinge unterstützen, zeigt, dass Arbeiter und Jugendliche nicht einfach mit der einen oder anderen Regierung konfrontiert sind, sondern mit der gesamten herrschenden Klasse und ihrem System. Der europäische Kapitalismus kann nicht reformiert werden, sondern er muss durch eine revolutionäre Bewegung der europäischen Arbeiterklasse abgeschafft und durch die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa ersetzt werden.

Nur die Sozialistische Gleichheitspartei steht in den Europawahlen für dieses Ziel. Sie kämpft für die Einheit aller Arbeiterinnen und Arbeiter, unabhängig von ihrem Pass, ihrer Hautfarbe und ihrer Herkunft, und steht auch heute zu Karl Marx und seinem Appell an die Arbeiterklasse: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

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