Yanis Varoufakis reist durch Australien: Ein pseudolinker Vertreter des europäischen Kapitalismus auf der Suche nach politischen Verbündeten

Der griechische Politiker Yanis Varoufakis beendete Anfang des Monats eine zweiwöchige Australienreise mit einer Rede vor dem National Press Club am 13. März. Varoufakis rief die herrschenden Eliten Australiens und Europas auf, angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen und Konkurrenz eine „unabhängigere“ Außenpolitik zu verfolgen, um nicht in die „Bedeutungslosigkeit“ abzurutschen.

Yanis Varoufakis spricht vor dem National Press Club of Australia in Canberra [Photo: Instagram@pressclubaust]

Die Reise wurde vom Australia Institute, einer liberalen Denkfabrik mit Sitz in Canberra, organisiert. Varoufakis wurde von den Angehörigen der gehobenen Mittelschicht aus dem Umfeld des Instituts herzlich, ja geradezu ehrfürchtig empfangen. Er hielt Vorträge zu einem ähnlichen Thema in den Innenstädten von Melbourne und Sydney und sprach auf dem Adelaide Writers’ Festival.

Während Varoufakis bei diesen Veranstaltungen als ehemaliger griechischer Finanzminister vorgestellt wurde, unterschlug man die eigentliche Bedeutung dieser Amtszeit geflissentlich. Tatsächlich trägt Varoufakis, ein politischer Schurke und Opportunist ersten Ranges, Schuld an einer der größten Verrätereien an der Arbeiterklasse in diesem Jahrhundert.

Die Syriza-Regierung, deren führender Kopf er war, kam im Januar 2015 mit dem Versprechen ins Amt, die von der Europäischen Union diktierten Sparmaßnahmen zu beenden, die zu einer sozialen Katastrophe führten. Während seiner etwas mehr als fünfmonatigen Amtszeit als Finanzminister stand Varoufakis im Mittelpunkt einer politischen Verschwörung, in deren Zuge Syriza dieses Mandat verriet, die explosive Opposition gegen das Spardiktat unterdrückte und die tiefsten Kürzungen in Europa durchsetzte.

Varoufakis wurde vom Australia Institute – das Verbindungen zu den Grünen und der Gewerkschaftsbürokratie sowie zur Finanzpresse hat – nicht trotz, sondern gerade wegen dieser Bilanz begrüßt. Varoufakis ist ein geschätzter Diener des Kapitalismus, dessen politische Karriere darauf beruht, eine rechte, wirtschaftsfreundliche Politik mit einer vage links-populistischen Rhetorik zu verbrämen, die vor allem wohlhabende und aufstrebende Teile der Mittelschicht ansprechen soll.

Varoufakis reiste nicht als Privatperson, sondern als Generalsekretär der „Bewegung Demokratie in Europa 2025“ (Democracy in Europe Movement 2025, DiEM25). Sie stützt sich auf Forderungen nach einer Neubelebung und „Demokratisierung“ der Europäischen Union. Diem25 warnt vor einer nationalen Spaltung Europas und ruft stattdessen zu pankontinentaler Einheit auf.

Wie die WSWS bei ihrer Gründung 2016 erklärte, repräsentiert DiEM25 eine Schicht gut betuchter EU-Funktionäre und Teile der europäischen herrschenden Klasse selbst, die befürchten, dass ihre Privilegien und ihr Reichtum durch die Spaltung Europas und seine Unterordnung unter die imperialistischen Interessen der USA gefährdet sind.

Das war auch der wesentliche Inhalt von Varoufakis’ Äußerungen vor dem hochkarätigen National Press Club, dessen Veranstaltungen im Fernsehen übertragen werden.

Er erklärte seinen Zuhörern: „Europa und Australien sind mit einer gemeinsamen existenziellen Bedrohung konfrontiert: einer schleichenden Irrelevanz, die einerseits durch unser Versäumnis verursacht wird, richtig zu investieren, und andererseits durch unser unüberlegtes Abgleiten von einer strategischen Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten hin zu einer nicht-strategischen, selbstzerstörerischen Unterwürfigkeit gegenüber Washingtons politischer Agenda.“

Die Welt, so Varoufakis, werde zunehmend vom „Cloud-Kapital“ beherrscht, einem Sammelbegriff für Hightech- und Internetfirmen. Er beklagte, dass Europa, d.h. die europäischen Kapitalisten, ebenso wie ihre australischen Gegenüber, in diesem entscheidenden Bereich weit zurückgeblieben seien. „Es ist ein bisschen so, als ob wir im 19. Jahrhundert ohne Dampfmaschinen auskommen müssten“, sagte Varoufakis.

Das Cloud-Kapital, attestierte er, werde von den USA und China dominiert. Deren Wettbewerb in diesem Bereich, so Varoufakis, sei der primäre, wenn nicht gar einzige Grund für das, was er als „neuen Kalten Krieg“ zwischen den beiden Mächten bezeichnete.

Sieht man von dem Gerede über „Demokratie“ und „Frieden“ ab, lief Varoufakis’ Argumentation darauf hinaus, die europäischen und australischen Regierungen aufzufordern, massiv in „Cloud-Kapital“ zu investieren, um in diesem Bereich konkurrenzfähig zu sein, und die bedingungslose „Unterwürfigkeit“ gegenüber den USA zu beenden, damit deren Aktivitäten nicht ihre eigenen imperialistischen Interessen gefährden.

Seine gesamte Analyse war darauf ausgerichtet, zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen. Sie verband Oberflächlichkeit mit Fälschung.

Das zeigte sich in Varoufakis’ Gleichsetzung Chinas mit den USA, zwei Ländern mit völlig unterschiedlicher Geschichte und Position in der Weltwirtschaft. Trotz seiner großen wirtschaftlichen Fortschritte und der Bestrebungen der aus der stalinistischen Restauration des Kapitalismus hervorgegangen herrschenden Elite ist China im Gegensatz zu den USA keine imperialistische Macht. Es ist nach wie vor in ein Finanzsystem eingebunden, das von US-amerikanischen und europäischen Banken und Konzernen dominiert wird.

Dass Varoufakis diese Fragen so leichtfertig abtut, deckt sich mit der Darstellung Chinas als neue imperialistische Macht, die von pseudolinken Gruppen und anderen Kräften benutzt wird, um die US-Kriegskampagne zu legitimieren. Eine ähnliche Position vertreten Pseudolinke bezüglich Russlands, was ihnen dazu dient, den Stellvertreterkrieg der USA und der Nato in der Ukraine zu unterstützen.

Das Wort „Imperialismus“ kam Varoufakis zwangsläufig nicht über die Lippen, ebenso wenig wie Hinweise auf die Krise des globalen Kapitalismus und seine unlösbaren Widersprüche.

Die Vorherrschaft über die Entwicklung von Hochtechnologie ist ein zunehmend wichtiger Bestandteil des von den USA geführten Feldzugs gegen China und der allgemeinen Explosion des imperialistischen Militarismus – doch sie ist nur ein Ausdruck grundlegenderer Prozesse.

Angesichts einer sich verschärfenden Krise der Realwirtschaft, eines höchst instabilen Finanzsystems und massiver interner sozialer Spannungen wenden sich alle Großmächte, auch in Europa, einem Programm von Militarismus und Krieg zu. Dieser Prozess findet seinen deutlichsten Ausdruck in der Eruption des amerikanischen Militarismus. Die USA waren in der Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg die beherrschende Macht und versuchen verzweifelt, ihre Hegemonie aufrecht zu erhalten, die sie an mehreren Fronten bedroht sehen.

Letztlich ist die Hinwendung der USA zu Krieg Ausdruck des unauflösbaren Widerspruchs zwischen einer verflochtenen Weltwirtschaft und der Aufteilung der Welt in antagonistische kapitalistische Nationalstaaten. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die USA diesen Widerspruch aufgrund ihrer immensen industriellen Basis, ihrer finanziellen Ressourcen und der Vorherrschaft des Dollars vorübergehend regulieren. Ihre globale Stellung hat sich in den letzten 50 Jahren jedoch verschlechtert, was sich darin zeigt, dass sie vom größten Gläubiger der Welt zu einem der größten Schuldner geworden sind.

Gerade die wirtschaftliche Entwicklung Chinas, die in einer früheren Periode von den USA gefördert wurde, wird von den Strategen des amerikanischen Imperialismus als größte Bedrohung ihrer Interessen angesehen. Das Programm des niedergehenden US-Kapitalismus ist nicht, wie Varoufakis behauptet, ein neuer „Kalter Krieg“, sondern aktive und fortgeschrittene Vorbereitungen auf einen Krieg gegen China als Teil einer umfassenden Kampagne, die entscheidende eurasische Landmasse zu beherrschen. Mit dem Stellvertreterkrieg von USA und Nato gegen Russland in der Ukraine und einer gewaltigen militärischen Aufrüstung im indopazifischen Raum sind diese Vorbereitungen bereits in vollem Gange.

Über diesen sehr heißen Krieg – den schlimmsten in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, der hunderttausende Menschenleben gefordert hat – sagte Varoufakis nichts. Seine Thesen, wonach sich der Konflikt ausschließlich auf die USA und China konzentriert und die europäischen Eliten ein passives Opfer der USA seien, wird vollständig von der zentralen Rolle widerlegt, die Deutschland, Großbritannien, Frankreich und andere europäische Mächte in der Nato-geführten Operation spielen.

Varoufakis konnte nicht darauf eingehen, geschweige denn erklären, warum das Programm des Militarismus in allen imperialistischen Zentren, auch in Europa, angenommen wird. Der Versuch, dies als alleinige Verantwortung Washingtons hinzustellen, ist eine Farce. Deutschland und andere europäische Mächte setzen derzeit ihre imperialistischen Interessen unter dem Dach der Nato und des US-Bündnisses durch. Dabei betreiben sie eine eigene militärische Expansion, wie es sie seit den 1930er Jahren nicht mehr gegeben hat, und zeigen damit, dass alle kapitalistischen Mächte auf ihre sich verschärfende Krise mit einer verstärkten Aufrüstung reagieren.

Varoufakis Positionen sind utopisch und reaktionär

Vor mehr als einem Jahrhundert erklärten die großen Marxisten Lenin und Trotzki, dass ein geeintes Europa im Kapitalismus ein Ding der Unmöglichkeit ist. Eine solche, nur vorübergehende Einheit wäre nur unter der Vorherrschaft einer der großen imperialistischen Mächte wie etwa Deutschland möglich. Wie die Geschichte zweier verheerender Kriege im 20. Jahrhundert zeigte, würde dieses Arrangement nicht lange bestehen und unweigerlich in einen bewaffneten Konflikt münden, der auf den rivalisierenden Interessen der verschiedenen europäischen kapitalistischen Staaten beruht.

Varoufakis hob vor allem den Niedergang Deutschlands als Grund für Beunruhigung hervor. „Europas Abwärtsspirale aus Bankenverlusten, Stagnation, unbezahlbarer öffentlicher und privater Verschuldung und einem seit einem Vierteljahrhundert andauernden Investitionsstreik führt nun zur Deindustrialisierung Europas und insbesondere Deutschlands“, erklärte er.

Die Spaltung des Kontinents, klagte er, führe dazu, dass „Europas Industrien in allen wichtigen technologischen Wettkämpfen rasch hinter ihre Konkurrenten in den Vereinigten Staaten und China zurückfallen“ und dass „unserem Kontinent das Cloud-Kapital fehlt“, während „die Macht vom Cloud-Kapital ausgeht“.

Wie auch immer er es zu beschönigen versucht – mit Verweisen auf „Frieden“ und Investitionen in umweltfreundliche Industrien –, Varoufakis’ Ruf nach europäischer „Macht“ inmitten geopolitischen Wettstreits ist militaristisch. Er plädiert dafür, dass Europa seine kapitalistische industrielle Basis ausweitet, um seine Interessen gegenüber denen rivalisierender imperialistischer Mächte durchzusetzen.

Dies steht im Einklang mit der laufenden militärischen Aufrüstung, in deren Zuge Deutschland, Frankreich und andere Staaten enorme Summen für ihre Streitkräfte bereitstellen und ihre politischen Führer darauf bestehen, dass die Zeit der europäischen Passivität vorbei ist. Wie schon bei der Umsetzung des Spardiktats im Namen der großen europäischen Banken versucht Varoufakis, diesem reaktionären Programm ein pseudolinkes Gesicht zu geben.

Ehemaliger Premierminister Paul Keating (Labor Party) [Photo: ABC News Australia]

Eine der wenigen australischen Persönlichkeiten, die er erwähnte, ist der ehemalige Premierminister Paul Keating von der Labor Party. Keating hat Australiens vollständige Ausrichtung auf die Kriegskampagne der USA gegen China beklagt und darauf hingewiesen, dass China nach wie vor der größte Handelspartner des Landes ist. Keating spricht für eine Minderheitsfraktion der herrschenden Elite, die sich vor den wirtschaftlichen und politischen Folgen fürchtet, die ein schrankenloser Krieg für den australischen Imperialismus haben würde. Keating schlägt jedoch keine Alternative vor und hat schon früher erklärt, dass die von ihm befürwortete „unabhängigere“ Außenpolitik eine größere militärische Expansion beinhalten würde.

Figuren wie Keating und Varoufakis treten nicht einmal dafür ein, die bisherige Ausrichtung auf die USA zu beenden, sondern sie lediglich neu zu kalibrieren, um die Interessen ihrer eigenen herrschenden Klassen besser durchzusetzen. Varoufakis forderte lediglich, dass Australien eine Politik verfolgen solle, die „sich nicht automatisch jedem kriegstreiberischen Abenteuer anschließt, das in Washington beschlossen wird“. Das schließt natürlich nicht aus, sich an einem beliebigen kriegerischen Abenteuer zu beteiligen, solange es mit australischen oder europäischen Interessen übereinstimmt.

In Wirklichkeit ist die schrittweise Ausrichtung Australiens auf die USA seit dem Zweiten Weltkrieg nicht einfach eine Frage der subjektiven Absichten seiner politischen Führer. Sie rührt vielmehr daher, dass der australische Imperialismus – eine Macht mittleren Ranges – vollständig vom US-Imperialismus abhängig war, um seine eigenen wirtschaftlichen und strategischen Interessen in Asien und auf Weltebene verfolgen zu können.

Im Anschluss an Varoufakis’ öffentliche Lobeshymnen auf Keating – eine rechte wirtschaftsliberale Figur, dessen Regierung den australischen Militarismus vertieft hat – erklärte er abschließend, er habe während seiner Australienreise „begeistert entdeckt, dass es talentierte Menschen und effektive Organisationen gibt, die sich der gleichen Sache verschrieben haben“.

Syrizas historischer Verrat an der griechischen Arbeiterklasse

Bürgerliche Organisationen wie das Australia Institute werben für Varoufakis stets mit verschwommenen Hinweisen auf die Tatsache, dass er an einem entscheidenden Wendepunkt der Entwicklung in Griechenland und Europa Finanzminister des Landes war. Die Einzelheiten der Ereignisse und Varoufakis’ tatsächliche Rolle werden jedoch nie näher erläutert.

Diese höfliche Diskretion spiegelt die Tatsache wider, dass diejenigen, die Varoufakis fördern, selbst den Interessen der Arbeiterklasse feindlich gegenüberstehen. Varoufakis repräsentiert zudem ein bestimmtes Element der oberen Mittelschicht. Er ist das, was sie sein wollen: ein reicher, berühmter Jetsetter, der in den Korridoren der Macht gefeiert wird.

Als bürgerlicher Akteur hat Varoufakis sein ganzes Leben dem beruflichen Aufstieg und dem Geldscheffeln gewidmet. Abgesehen von einer lukrativen, jahrzehntelangen Karriere in der Wissenschaft bestand Varoufakis’ einzige politische Erfahrung vor der Syriza-Regierung darin, dass er zwischen 2004 und 2006 als Wirtschaftsberater der rechten sozialdemokratischen Regierung von George Papandreou (PASOK) tätig war.

Während der langwierigen Krise in der Eurozone nach dem weltweiten Zusammenbruch der Finanzmärkte im Jahr 2008 setzten die griechischen Regierungen auf Geheiß der europäischen Banken weitreichende Sparmaßnahmen um. Die PASOK kollabierte beinahe und erreichte bei den Wahlen im Januar 2015 nur noch einen einstelligen Prozentsatz der Stimmen. Dies läutete eine explosive und potenziell revolutionäre Situation der politischen Gärung ein, in der sich die Massen zunehmend gegen die von der herrschenden Klasse auferlegte Verelendung zu wehren begannen.

Syriza wurde unerwartet an die Macht gespült, nachdem sie versprochen hatte, die Austerität zu beenden und sich für die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen einzusetzen. Sie wurde erst 2012 als politische Partei registriert und trug den Namen „Koalition der radikalen Linken – Progressive Allianz“. Syriza war ein prinzipienloser Zusammenschluss pseudolinker Gruppen, die die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse zurückgewiesen und sich von der trotzkistischen Bewegung losgesagt hatten, von Ex-Stalinisten, bürgerlichen Umweltschützern und „linken“ Sozialdemokraten.

Varoufakis verdankte seinen Segelflug ins Finanzministerium nicht nur seinem Image als Ökonom, sondern zweifellos auch seinen engen Verbindungen zu den politischen Eliten in Europa und den USA aus seiner Zeit als Berater der PASOK.

Fast unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses arbeitete Syriza daran, das ihr erteilte Mandat zu untergraben. Sie bildete eine Koalitionsregierung mit den Unabhängigen Griechen, einer rechtsextremen migrantenfeindlichen Partei. Abgesehen von innenpolitischen Erwägungen sollte dies ein Signal an die europäischen Mächte sein, dass Syriza jeglichen Kampf zur Vereinigung der Arbeiter in ganz Europa gegen die Austeritätspolitik ablehnt. Ungeachtet seines heutigen „Paneuropäismus“ hat Varoufakis diese Rückgriff auf den griechischen Chauvinismus voll akzeptiert. Sein heutiger Paneuropäismus ist keine Abweichung hiervon. Beides ist Ausdruck einer Politik der Zusammenarbeit mit der europäischen herrschenden Elite, anstelle eines Kampfes, Arbeiter gegen sie zu vereinen.

Varoufakis stand damals im Zentrum der Manöver, mit denen Syriza die Sparmaßnahmen fortzuführen suchte, und führte hinter verschlossenen Türen Geheimverhandlungen mit Vertretern der EU und der europäischen Banken.

Wie die WSWS berichtete: „Yanis Varoufakis erklärte später gegenüber dem Observer, er habe in den ersten EU-Verhandlungen eine ‚typische Thatcher- oder Reagan-‘ Wirtschaftspolitik vorgeschlagen. Ausgearbeitet hatte er sie zusammen mit einer ‚Kommission aus internationalen Beratern‘, zu denen der Thatcher-Anhänger Lord Norman Lamont, Schatzkanzler der britischen konservativen Regierung von John Major, gehörte wie auch der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers.“ Die Namen Reagans und Thatchers sind natürlich mit brutalen Angriffen auf die Arbeiterklasse verbunden. Mit anderen Worten: Varoufakis und Syriza wollten von Anfang an das Diktat des europäischen Kapitals durchsetzen.

Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk (links), trifft sich mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras (rechts) und dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis im Vorfeld der EU-Krisensitzung zu Griechenland im Gebäude des Europäischen Rats in Brüssel am 22. Juni 2015 [AP Photo/Eric Vidal/Pool Photo via AP]

Innerhalb des ersten Monats ihrer Amtszeit hatte Syriza zugestimmt, die in den von ihren Vorgängerregierungen unterzeichneten Vereinbarungen vorgeschriebenen Kürzungen fortzusetzen, und garantiert, „die Sparpakte nicht durch einseitiges Handeln zu beenden“. Die WSWS kommentierte: „Selbst in der ganzen kläglichen Geschichte ‚linker‘ kleinbürgerlicher Politik findet man kaum ein solches Beispiel von Täuschung, Zynismus und abstoßender Feigheit“, das mit der Geschwindigkeit von Syrizas Verrat vergleichbar wäre.

Varoufakis war sowohl der Verhandlungsführer hinter den Kulissen als auch der Frontmann bei Syrizas Durchsetzung des Diktats der europäischen Banken. Er sorgte für Empörung und Wut, als er erklärte, die griechischen Arbeiter müssten „Opfer“ bringen, während er und seine Frau in ihrer Athener Villa Fotoshootings für französische Modemagazine machten.

Angesichts der wachsenden Opposition beschloss die Syriza-Führung, dass sie einen Vorwand für weitere Kürzungen brauchte. Im Juli rief sie ein nationales Referendum darüber aus, ob Griechenland die von den europäischen Institutionen vorgeschlagenen Bail-Out-Bedingungen akzeptieren sollte, die eine umfassende Kürzung der Sozialausgaben enthielten.

Varoufakis gab später zu, dass Syriza trotz ihrer Rhetorik gegen die Sparpolitik auf ein „Ja“ gesetzt hatte. Sie setzte sich nicht dafür ein, die Bedingungen abzulehnen, sondern versuchte stattdessen, der griechischen Bevölkerung die Verantwortung für deren Annahme zuzuschieben. Varoufakis berichtete von Szenen der Niedergeschlagenheit innerhalb der zentralen Syriza-Führung, als die Ergebnisse zeigten, dass mehr als 60 Prozent der Bevölkerung mit „Nein“ gestimmt hatten.

Fast sofort verstieß Syriza gegen das Mandat des Referendums gegen die Austeritätspolitik und brachte ein Sparpaket durch das Parlament. Varoufakis, der um seine Karriere fürchtete, wenn er weiter diskreditiert würde, verließ seinerseits die Regierung und erklärte später, er sei nach dem Referendum „in die Nacht geflohen“.

„Nein“-Anhänger feiern das Ergebnis des Referendums in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki, 5. Juli 2015 [AP Photo/Giannis Papanikos]

Die sozialen Folgen von Syrizas Verrat waren katastrophal. Die Kürzungen kamen zu den vorherigen Sparmaßnahmen hinzu und senkten die Realeinkommen der Arbeiter um bis zu 30 Prozent. Im Jahr 2016 lag die Arbeitslosigkeit bei 28 Prozent. Mehr als 50 Prozent der Arbeiter unter 25 Jahren hatten keinen Job. Wie die WSWS in jenem Jahr feststellte: „Einem Bericht von Doctors of the World zufolge haben die Haushaltskürzungen im Gesundheitswesen zu einer humanitären Krise geführt: 25 Prozent der Griechen haben keinen Zugang mehr zu Gesundheitsversorgung und die Kindersterblichkeit ist in den letzten drei Jahren um 51 Prozent gestiegen.“

Varoufakis gehörte natürlich nicht zu denen, die in die Armut gestürzt wurden. Er ist mit der Enkelin eines der Textilmagnaten des Landes verheiratet und auch selbst wohlhabend. Anfang 2016 gründete er DiEM25 und kehrte kurz darauf in das griechische Parlament zurück. Im Jahr 2019 enthüllte das Parlament, dass Varoufakis zu den finanziell erfolgreichsten führenden Politikern Griechenlands gehört. In den vergangenen drei Jahren hatte er 970.000 Euro eingenommen und gab an, an zehn Immobilien beteiligt zu sein oder diese zu besitzen.

Wie allein die WSWS ausführlich dargelegt hat, war der Verrat von Syriza eine maßgebliche Erfahrung für die Arbeiterklasse. In ihrer Ausübung der Staatsmacht hatte sich die Pseudolinke in der Praxis als bösartige arbeiterfeindliche Tendenz erwiesen, welche die Interessen wohlhabender Elemente der oberen Mittelschicht vertritt, um deren Privilegien im Rahmen des bestehenden kapitalistischen Profitsystems zu wahren. Ihre gelegentliche „linke“ Rhetorik und in Varoufakis’ Fall frühere Behauptungen, ein „erratischer“ oder „libertärer“ Marxist zu sein, sind Augenwischerei und Begleitmusik für ein gesellschaftlich und politisch reaktionäres Programm.

Das ist der Rahmen, in dem Varoufakis’ gelegentliche Bekenntnisse zur Sorge um die Menschen in Gaza oder um Julian Assange gesehen werden sollten. Als Repräsentant des gesellschaftlichen Typus der Pseudolinken verteidigt er kein einziges Prinzip und man sollte ihm nicht für einen Moment vertrauen.

So war Varoufakis im Nationalen Presseclub imstande, ohne rot zu werden die derzeitige „lähmende Ungleichheit, hohe Inflation und niedrige Löhne“ zu beklagen. Eine üblere Heuchelei ist kaum vorstellbar! Natürlich wies niemand im Publikum darauf hin, dass Varoufakis’ Rolle bei der Umsetzung brutaler, von der EU diktierten Sparmaßnahmen die soziale Ungleichheit enorm verschlimmert hat.

Dies ist auch der Rahmen, in dem seine neu entdeckte Erkenntnis zu verstehen ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung machtlose „Vasallen“ sind, die Leibeigene der Tech-Unternehmen sind und von ihnen leicht manipuliert werden können. Verkleidet als Pseudo-Theorie eines „Techno-Feudalismus“ behauptet Varoufakis damit, dass die Arbeiterklasse keinen unabhängigen Kampf gegen die von ihm verteidigte Profitordnung aufnehmen kann und darf. Gleichzeitig beharrt Varoufakis darauf, dass die Entstehung einer solchen modernen Leibeigenschaft ein Bündnis mit „Vasallenkapitalisten“, d. h. mit Teilen der von ihm vertretenen europäischen Bourgeoisie, erforderlich macht.

Die Arbeiterklasse kämpft jedoch überall auf der Welt gegen Sparpolitik, Autoritarismus und Krieg. Um vorwärtszugehen, müssen diese Kämpfe eine explizit sozialistische und internationalistische Perspektive annehmen. Das erfordert einen unerbittlichen politischen Kampf gegen die pro-kapitalistischen Pseudolinken und ihre prominenten Vertreter wie Varoufakis.

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