Ex-Premier Fico gewinnt Parlamentswahl in der Slowakei

Entgegen den meisten Vorhersagen gewannen der ehemalige Premierminister Robert Fico und seine Partei Smer am vergangenen Wochenende die Parlamentswahl in der Slowakei. Mit knapp 23 Prozent der Stimmen, beziehungsweise 42 der 150 Sitze im Parlament wurde Smer mit Abstand stärkste Partei, muss jedoch eine Koalition bilden. Fico wurde am Montag von Staatspräsidentin Zuzana Čaputová mit der Regierungsbildung beauftragt.

Robert Fico [Photo by Annika Haas (EU2017EE) / CC BY 2.0]

Die Wahl in dem nur 5,4 Millionen Einwohner zählenden Land wurde international mit Spannung verfolgt. Dabei stand die Haltung Ficos zum Krieg in der Ukraine im Zentrum. Fico forderte ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Im Wahlkampf kündigte er an, der Ukraine „keine Patrone“ mehr liefern zu wollen, und trat für baldige Friedensverhandlungen ein.

Ficos Wahlsieg ist auf die weit verbreitete Opposition gegen den Krieg in der Ukraine zurückzuführen. Bereits im März hatte eine Umfrage von Globsec festgestellt, dass 51 Prozent der Slowaken in erster Linie den Westen und die Ukraine für den Krieg verantwortlich machen. Weitere Umfragen ergaben, dass 69 Prozent denken, Waffenlieferungen führten zu einem noch umfassenderen Krieg. Entsprechend sank innerhalb des letzten Jahres die Unterstützung für die Nato-Mitgliedschaft des Landes von 72 auf 58 Prozent und die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft von 77 auf 64 Prozent.

Die Folgen des Kriegs haben die soziale Lage im Land deutlich verschärft. Inzwischen leben fast 500.000 Rentner in der Slowakei unter der Armutsgrenze, allein 2022 stieg diese Zahl um 200.000. Die Mindestrente liegt bei rund 330 Euro, bei Lebenshaltungskosten, die nur wenig unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Gleichzeitig stieg die Inflation für Lebensmittel und andere Güter noch stärker als beispielsweise in Polen oder Tschechien.

Der 59-jährige Fico war bereits von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 slowakischer Regierungschef. 2018 musste er nach Massenprotesten gegen die brutale Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten zurücktreten. Kuciak hatte über eine Verbrecherbande recherchiert, die im großen Stil EU-Gelder abschöpfte und der enge Verbindungen zur Regierungspartei nachgesagt wurden. Der Verdacht, den Mord in Auftrag gegeben zu haben, reichte bis in höchste Regierungskreise.

Die liberalen Kräfte, die durch die Empörung über den Kuciak-Mord gestärkt wurden, darunter die 2019 zur Präsidentin gewählte Zuzana Čaputová, haben sich durch ihre Unterstützung des Ukraine-Kriegs, der Europäischen Union und einer marktorientierten Wirtschaftspolitik schnell wieder diskreditiert.

Die Partei Progressive Slowakei (PS) des Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Michal Simecka, der auch Čaputová vor ihrer Wahl zur Präsidentin angehörte, kam mit 18 Prozent nur auf den zweiten Platz. Sie wurde von europäischen Medien und Regierungen stark unterstützt. Die PS steht für eine ausgesprochen neoliberale Wirtschaftspolitik und für einen harten Kurs gegenüber Russland, wie ihn die führenden EU-Mitglieder vertreten.

Die Partei Olano von Ex-Premier Igor Matovič, die 2020 die Parlamentswahl unter dem Banner des „Kampfs gegen die Korruption“ gewonnen hatte, kam im Bündnis mit zwei rechten Kleinstparteien nur noch auf neun Prozent.

Der Unternehmer Matovič hatte eine Vierparteienkoalition gebildet, die einen rechten Kurs verfolgte, auf dem Höhepunkt der Pandemie effektive Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung ablehnte und gleichzeitig Sozialabbau betrieb. Sie unterstützte vorbehaltlos den Krieg gegen Russland und lieferte als eine der ersten der EU Waffen an Kiew.

Sie verlor damit jede Unterstützung in der Bevölkerung und rieb sich in endlosen Grabenkämpfen auf, bis sie im Frühjahr dieses Jahres endgültig auseinanderbrach. Danach setzte Staatspräsidentin Čaputová ein Expertenkabinett unter dem Übergangspremier Ľudovít Ódor ein.

Die ehemaligen Regierungsparteien bekamen am Samstag die Quittung für ihre Politik. Sie erhielten nur noch 600.000 Stimmen, weniger als halb so viel wie 2020. Mit Ausnahme der Hauptstadt Bratislava konnte die oppositionelle Smer in allen Regionen gewinnen.

Auf Platz 3 landete mit 14,7 Prozent die Partei Hlas von Peter Pellegrini, eine Abspaltung von Ficos Smer. Beobachter halten eine Zusammenarbeit beider Parteien nach der Wahl für wahrscheinlich. Pellegrini erklärte, er könne in einer zukünftigen Koalition als „stabilisierendes Element“ agieren.

Als weiterer möglicher Regierungspartner kommt die Slowakische Nationalpartei (SNS) mit 5,6 Prozent infrage. Die Rechtsextremisten unter Andrej Danko haben sich offen für die Bildung eines „Blocks“ erklärt. In Migrations- und Ausländerfragen vertreten die ultrarechte SNS und Smer dieselbe Politik.

Auch die erzkonservativen Christdemokraten (KDH) schafften den Sprung ins Parlament. Ebenso die neoliberale Partei Freiheit und Solidarität (SaS), die 6,3 Prozent erringen konnte.

Ficos Wahlsieg löste in Brüssel und Berlin erhebliche Sorgen aus. Es wird befürchtet, dass sich nach Viktor Orbáns Ungarn ein weiteres EU-Mitglied bei der Unterstützung der Ukraine und Sanktionen gegen Russland quer stellt. Auch Aleksandar Vučić, der Präsident Serbiens, das noch nicht Mitglied der EU ist, unterhält enge Beziehungen zu Moskau.

Fico wird, wie Orbán, seine Opposition gegen Brüssel allerdings nicht zu weit treiben. Die Slowakei, in der sich zahlreiche internationale Autokonzerne angesiedelt haben, ist wirtschaftlich dringend auf die EU angewiesen.

Ficos Anti-Kriegs-Rhetorik verschleiert eine extrem rechte Politik, die bisher in der EU größtenteils mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen wurde. Er ist ein typischer stalinistischer Wendehals, der seine pro-kapitalistische Politik mit populistischer Rhetorik verbindet.

Fico hatte seine politische Karriere in der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei begonnen, sich nach der Wende zur Marktwirtschaft bekannt und den Ausverkauf des öffentlichen Eigentums unterstützt, der zahlreiche Arbeiter in Armut stürzte. Als die Nachfolgerin der KP, die SDL, infolge ihrer arbeiterfeindlichen Politik zunehmend diskreditiert war, gründete er 1999 die Smer-SD, die sich seither beständig weiter nach rechts entwickelt hat.

Von 2006 bis 2010 paktierte er mit zwei rechtsextremen Parteien, unterstützte das Spardiktat der Europäischen Union in Griechenland und wälzte die Folgen der Wirtschaftskrise auf die eigene Bevölkerung ab. Auch in seiner zweiten Regierungszeit mischte er populistische Rhetorik mit einer rechten, EU-freundlichen Außenpolitik. Vor allem in der Flüchtlingsfrage ist Fico voll auf EU-Linie und will die sogenannte Balkan-Fluchtroute notfalls mithilfe des Militärs schließen.

Obwohl Fico schon bisher keine Berührungsängste mit rechtsextremen Kräften hatte, deutet vieles darauf hin, dass sich eine künftige Regierung noch stärker auf sie stützen wird.

Ľuboš Blaha, Vize-Chef der Smer, buhlte bereits im Wahlkampf um die Gunst der extremen Rechten. Auf einer Wahlveranstaltung erklärte er, man wolle das Land von „der euro-amerikanischen Okkupation“ und einem „Faschismus in Regenbogenfarben“ befreien.

Ficos Abrücken vom Ukraine-Krieg ist zwar populär, hat aber wenig praktische Konsequenzen, da die Slowakei ihre wichtigsten Waffensysteme bereits abgegeben hat und weitere Lieferungen ohnehin nicht geplant waren. Hinzu kommt, dass der potenzielle Koalitionspartner Pellegrini Militärhilfen an die Ukraine ausdrücklich befürwortet. Der Chef der Hlas unterhält enge Beziehungen zur deutschen SPD, die für eine Eskalation des Kriegs gegen Russland eintritt.

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